Rudolf Gottschall

um 1850

                                                                            Vorwort zur Anthologie

                                                                            „Blüthenkranz neuer deutscher Dichtung von 1878“

 

Kein Herbst mit welken Blättern, welche fallen,

Vom Sturm verweht, auf heil’ge Sarkophage –

Ein frischer Lenz im Glanz der sonn’gen Tage,

An Lerchen reich und reich an Nachtigallen:

 

Läßt deutsche Dichtung lied auf Lied erschallen,

Ein Lied des Lebens, keine Todtenklage,

Und freudig wirft sie in des Geistes Waage

Ein Schwert der Könige, nicht der Vasallen

 

So wag’ ich hier zum reichen Kranz zu winden,

Was aufgeblüht in innigem Empfinden,

Und was der Geist zu schöner Frucht gereift.

 

Den Frauen Deutschlands weih’ ich diese Lieder;

Sie finden hier, was sanft ihr Herz ergreift,

Doch auch den höchsten Ernst des Lebens wieder.